Ohne Ehrenamt, kein Katastrophenschutz

Vier Experten geben Tipps, wie sich die Bevölkerung auf Überschwemmungen, Stromausfälle oder andere Notlagen vorbereiten können. Hochwasser, ein tagelanger Stromausfall oder ein Waldbrand, der ganze Ortschaften bedroht: Auch wenn Lippe von solchen Szenarien zum Glück bisher verschont geblieben ist, sind die örtlichen Einsatzkräfte stets darauf vorbereitet. Wie genau das in Lippe im Katastrophenfall abläuft, wie die Bevölkerung informiert wird, wie sich die Bürgerinnen und Bürger vorbereiten können und was man immer im Haus haben sollte, darüber haben mehrere Experten auf Einladung der SPD-Landtagsabgeordneten Ellen Stock informiert.

Veranstaltung wichtig um Bürgerinnen und Bürger zu informieren

Eigentlich hätte die Gesprächsrunde in Präsenz stattfinden sollen. Doch wegen der hohen Corona-Inzidenzzahlen ging sie kurzerhand online über die Bühne und wurde live im Internet übertragen.

„Es sind genau solche Veranstaltungen, die wir brauchen, um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren“, sagte Meinolf Haase, Leiter des Bevölkerungsschutzes im Kreis Lippe.

Zusammen mit Wolfgang Kornegger, Kreisbandmeister und damit Chef der lippischen Feuerwehren, Thorsten Meier, Fachberater beim Ortsverband Detmold des Technischen Hilfswerks (THW), und Markus Schulz, Kreisrotkreuzleiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Ortsverband Lippe, schilderte Haase das Zusammenspiel der einzelnen Akteure im Ernstfall. So wie im Februar 2021.

Schnee im Februar war eine Herausforderung für lippische Einsatzkräfte

Damals war fast ganz Deutschland unter einer meterhohen Schneedecke versunken. Während das die meisten Menschen, außer dem lästigen Schneeschieben einmal abgesehen, relativ wenig störte, hatten unter anderem die Rettungsdienste plötzlich ein großes Problem: „Sie kamen mancherorts trotz Schneeketten nicht mehr zu den Patienten, die dringend Hilfe brauchten“, berichtet Meinolf Haase. Also trat kurzerhand ein Notfallplan in Kraft: Mit jedem Rettungswagen wurden Feuerwehr oder Technisches Hilfswerkt mitgeschickt, die zusammen mit örtlichen Bauhöfen und Landwirten den Sanitätern den Weg freikämpften. Auch Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK) unterstützten, wo sie gebraucht wurden. „So konnten wir die Notfallversorgung der Bürger aufrechterhalten. Das hat gut geklappt“, sagt Haase.

Katastrophenschutz in Lippe – Wie bereite ich mich vor? auf Youtube

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Experten bitten um Notfallvorsorge

Regelmäßig übten die einzelnen Akteure das Zusammenspiel für solche und auch größere Katastrophenfälle wie Hochwasser, Stromausfall oder Waldbrände. Doch auch die Bürgerinnen und Bürger könnten einen Beitrag dazu leisten und sich entsprechend auf den Ernstfall vorbereiten. „Das ist sehr wichtig“, betont Haase.

„Die Menschen sollten sich einfach mal einen Moment mit dem Gedanken beschäftigen, was es für Folgen hat, wenn mehrere Tage der Strom weg ist, die Heizung nicht funktioniert oder man ad hoc das Haus verlassen muss“, riet Markus Schulz vom DRK.

„Das führt automatisch zu folgenden Fragen: Habe ich eigentlich genug Wasser und Lebensmittel im Haus, die haltbar sind und die ich zur Not auch kalt essen kann? Sind genügend Teelichter und Kerzen vorhanden? Funktionieren Streichhölzer und Feuerzeug? Habe ich einen Campingkocher? Besitze ich ein Radio, was mit Solarzellen oder mit einer Handkurbel funktioniert?“ Was genau man im Haus haben und welche Mengen an Wasser und Lebensmittel vorrätig sein sollten, hinge sicherlich auch von den eigenen Lebensverhältnissen (Land/Stadt, Familie/Alleinstehend) ab. „Hinweise finden sich in vielen Broschüren, die beispielsweise das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe herausgegeben hat“, erklärt Kornegger. „Diese Broschüren sind bei uns beim Kreis Lippe, in den Bürgerbüros oder im Internet zu finden“, berichtet Haase. Thorsten Meier vom THW riet Hausbesitzern auch dazu, sich präventiv mit baulichen Maßnahmen zu beschäftigen. Beispielsweise, wenn man feststelle, dass man in einem Überschwemmungsgebiet wohne. Aufschluss darüber gebe es durch entsprechende Karten, die im Internet oder bei den Bauämtern einzusehen seien.

Notsituationen erkennen

Auch die Warntöne der Sirenen, mit denen vor Katastrophen gewarnt werde, und ihre Bedeutung sollten die Menschen kennen. „Leide muss man sagen, dass die Alarmierung der Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren sehr vernachlässigt wurde“, stellt Haase fest. Erst in den vergangenen Jahren sei darauf wieder mehr Wert gelegt worden. Zum einen laufe die Warnung der Bevölkerung inzwischen über Smartphone-Apps wie „NINA“ oder „KATWARN“, berichtet Kornegger. Doch nicht jeder habe ein Smartphone oder diese Apps installiert, auch wenn das nur zu empfehlen sei. Zudem helfen bei Strom-, Internet- oder Mobilfunkausfällen auch technische Programme nicht weiter. „In Lippe haben wir daher auch das Sirenen-System“, sagt Haase. Viermal im Jahr – am 2. Donnerstag im Quartal – mache der Bevölkerungsschutz Lippe auf die Bedeutung der Warntöne aufmerksam. Zudem heulten sie testweise jeden ersten Samstag im Monat um 12 Uhr. Sollten die Sirenen außerplanmäßig aufheulen, sollten die Menschen ihre Radios einschalten. „Wir versuchen dann, über Radio Lippe oder den WDR mit den Menschen zu kommunizieren“, erklärt Haase. Dies geschehe zusätzlich über Durchsagen mit Lautsprecherwagen der Feuerwehr, die durch die Wohngebiete führen, ergänzt Kornegger.

Dass eine gute Vorbereitung auf den Katastrophenfall sehr wichtig sei, dafür spreche sehr deutlich das Hochwasser im Ahrtal. Dort war unter anderem Thorsten Meier vom THW im Einsatz, der schon oft im Ausland aktiv war und dort geholfen hatte. „Ich bin schon viel rumgekommen und habe sehr viel gesehen. Aber, dass so ein Hochwasser im Ahrtal mit diesen Schäden in Deutschland geschehen könnte, das hat mich doch überrascht“, berichtet Meier. Bei dieser Katastrophe habe man sehen können, dass im Notfall immens viel Hilfe zu Verfügung stünde. „Bei der Koordinierung können wir aber noch ein Stück besser werden“, sagt Meier. Das empfand auch Kornegger so, der wie viele lippische Feuerwehren ebenfalls im Ahrtal aktiv war und dort Hilfe geleistet hatte.

Katastrophenschutz ist Ehrenamt

Diese Hilfe sei aber nur durch den Einsatz zahlreicher Ehrenamtlicher möglich, die sich bei Feuerwehren, THW, DRK und anderen Organisationen engagierten. „Deshalb kann ich nur dazu aufrufen, mitzumachen. Kommen Sie vorbei, wir können jeden gebrauchen“, sagte Haase: „Denn: ohne Ehrenamt, kein Katastrophenschutz.“

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Ellen Stock