Im europäischen Vergleich belegt Deutschland in Sachen Inklusion einen der letzten Plätze. Spitzenreiter ist Island mit einer Inklusionsrate von 96 Prozent, gefolgt von Ländern wie Malta (94 Prozent) oder Norwegen (85 Prozent). Dabei stehen in Deutschland vor allem die konservativ geführten Bundesländer auf der Bremse. Zwar haben die meisten Länderparlamente die Inklusion inzwischen ins Schulgesetz geschrieben, gleichzeitig haben sie sich eine Menge Hintertüren offen gelassen, um die Förderschulen weiterhin zu erhalten.
Ähnlich verhält es sich mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Inklusion. Auch der Staatenbericht, den die Bundesregierung als Unterzeichner der Behindertenrechtskonvention bei der UN abliefern musste, überzeugt die Experten nicht. Im Gegenteil: Sie gehen davon aus, dass das die Bundesregierung erneut von der internationalen Staatengemeinschaft gerügt werden wird.
„Menschen mit und ohne Behinderung sollen ganz selbstverständlich zusammenleben: in der Schule, bei der Arbeit und in der Freizeit. Sie sollen selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Und sie sollen die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten zu zeigen“.
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Inklusion auf Länderebene bleibt ein Flickenteppich
Von bundesweit vergleichbaren Chancen auf Teilhabe an Inklusion kann noch keine Rede sein. Unterschiedliche Förderpolitiken in den Bundesländern erschweren den Weg zum gemeinsamen Lernen und verhindern vergleichbare Chancen für alle Förderschüler in Deutschland. Während in den Stadtstaaten wie Bremen (Inklusionsanteil: 68,5 Prozent), Hamburg (59,1 Prozent) und Berlin (54,5 Prozent) oder in Schleswig-Holstein (60,5 Prozent) die Mehrheit der Förderschüler an Regelschulen lernt, sind es in Hessen (21,5 Prozent) und Niedersachsen (23,3 Prozent) weniger als ein Viertel. Auch der Anteil der Schüler, die separiert an Förderschulen unterrichtet werden, unterscheidet sich erheblich. Die Spannweite liegt hier zwischen Exklusionsquoten von 6,8 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt bis zu 1,9 Prozent in Bremen. Nicht zuletzt weichen die Förderquoten in Folge unterschiedlicher Diagnosestandards auf Landesebene stark voneinander ab. Die höchste Förderquote in Mecklenburg-Vorpommern ist mit 10,8 Prozent doppelt so hoch wie in Niedersachsen (5,3 Prozent) oder Rheinland-Pfalz (5,4 Prozent). Bei den Abschlüssen der Schüler an Förderschulen sind bundesweit ebenfalls große Unterschiede erkennbar. Während in Thüringen 54,7 Prozent dieser Schüler die Förderschulen ohne Hauptschulabschluss verlassen, sind es in Brandenburg 86,2 Prozent.
Inklusion in NRW
„Inklusion ist ein Schlüsselbegriff, der eine humane Gesellschaft kennzeichnet, die Verschiedenheit anerkennt und annimmt und auf einen gesamtgesellschaftlichen werteorientierten Grundkonsens zielt. In einem inklusiven Schulsystem wird das gemeinsame Leben und Lernen von Menschen mit und ohne Behinderungen zur Normalform“. (Bildungsportal NRW)
[…] Die Änderungsverordnung vom 24. August 2017 ermöglicht die Fortführung von öffentlichen Förderschulen und von Teilstandorten solcher Förderschulen, die die Mindestgrößen nach der Verordnung vom 16. Oktober 2013 nicht erreichen und nicht bis zum Ende des Schuljahres 2016/2017 vollständig aufzulösen waren.
Schulministerin Yvonne Gebauer erklärte: „Die Landesregierung hält Wort und schafft die Voraussetzungen für ein möglichst breites Förderschulangebot. Wir wollen Eltern eine Wahlfreiheit zwischen Regelschule und Förderschule ermöglichen.“
„[…] Als Land wollen wir den Kommunen gute Rahmenbedingungen für gute Förderschulen bieten, sodass alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gefördert werden können“.
„Mit Genehmigung der obersten Schulaufsichtsbehörde können Schulträger allgemeine Schulen zu Schwerpunktschulen bestimmen. Die Profilierung der Schwerpunktschule als Ort sonderpädagogischer Förderung führt zu einer Bündelung sonderpädagogischer Expertise im Kollegium dieser Schule“.
Von einem inklusiven Bildungssystem, das Förderschülern überall vergleichbare Chancen bietet, ist Deutschland also noch weit entfernt. Wir sehen vierfachen Handlungsbedarf, um das gemeinsame Lernen nachhaltig im Bildungssystem zu verankern.
„Von den Förderschülern in der Sekundarstufe lernt nur jeder Zehnte in einer Realschule oder einem Gymnasium. Inklusion findet hauptsächlich an Haupt-und Gesamtschulen statt“